Gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase (GVP)

Eine qualifizierte Beratung zur gesundheitlichen Versorgungsplanung sollen Einrichtungen der Pflege und Eingliederungshilfe laut Sozialgesetzbuch ihren Bewohnerinnen und Bewohnern für die letzte Lebensphase anbieten:

„Versicherte sollen über die medizinisch-pflegerische Versorgung und Betreuung in der letzten Lebensphase beraten werden, und ihnen sollen Hilfen und Angebote der Sterbebegleitung aufgezeigt werden. Im Rahmen einer Fallbesprechung soll nach den individuellen Bedürfnissen des Versicherten insbesondere auf medizinische Abläufe in der letzten Lebensphase und während des Sterbeprozesses eingegangen, sollen mögliche Notfallsituationen besprochen und geeignete einzelne Maßnahmen der palliativ-medizinischen, palliativ-pflegerischen und psychosozialen Versorgung dargestellt werden“.

(SGB V, § 132g SGB V im Sinne des § 43 des Elften Buches)

Leisten sollen dies besonders geschulte Fachkräfte. Frühzeitig und systematisch sollen sie Bewohnerinnen und Bewohner „ergebnisoffen“ ansprechen und deren Vorstellungen über ihr Lebensende dokumentieren. Juristische und medizinisch-pflegerische Themen stehen zwar im Mittelpunkt, es ist aber auch eine Auseinandersetzung mit physischen, psychischen, sozialen und religiösen bzw. spirituellen Fragen möglich.

Pflegefachkräfte, Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger haben keine juristische, beratende oder seelsorgerliche Ausbildung. Geeignete und geschulte Personen aus Pflege und Betreuung können aber durchaus Menschen sensibel und individuell nach ihren Wünschen und Bedürfnissen fragen, wenn sie achtsam und empathisch und mit der GVP umgehen.

Die 16 Teilnehmenden der vom Diakonischen Institut durchgeführten Qualifizierungsmaßnahme brachten diese Voraussetzungen mit. Nicht nur Einfühlungsvermögen, sondern auch die Fähigkeit, Dinge kognitiv und kritisch zu erfassen, war gefragt. Unabdingbar ist es beispielsweise, die eigene Rolle neu zu definieren, systemische Zusammenhänge zu sehen und über die Implementierung des Konzeptes in den Einrichtungen nachzudenken.

Ganz zu Beginn musste die Frage nach dem „eigentlichen Auftrag“ geklärt und geäußerte Bedenken hinterfragt und ausgeräumt werden. Schnell war auch klar, dass die Haltungsfrage ganz zentral im Mittelpunkt stehen muss und damit verbunden auch die Rollenfrage. Nicht mehr die Fachkraft, sondern die Bewohnerinnen und Bewohner bestimmen die Richtung. „Fokussierte Zuwendung“ nennen dies die Fachleute: sich sensibel auf die durch die Person geprägte Situation einschwingen.

Ein wesentlicher Teil der Weiterbildung nimmt dementsprechend das Thema „Bewohnerzentrierte Gesprächsführung“ ein: Gesprächsräume eröffnen, Gesprächsatmosphäre schaffen, Bedürfnisse aufgreifen, sie aber auch begrenzen und steuern, sodass das Spezifische des Gesprächsgegenstands in den Blick genommen werden kann. Alles in allem eine hochkomplexe situative Anforderung an die professionelle Haltung, Rolleninterpretation und Handlungsausgestaltung. Gleichzeitig muss die Freiwilligkeit und Einwilligungsfähigkeit fortlaufend überprüft werden.

Auch juristische Fragenstellungen, wie zur Vorsorgevollmacht, Betreuungsvollmacht, Patientenverfügung fanden Raum.

Wie kann der eigene Wille bei einem „Leistungsberechtigten mit hohem Unterstützungsbedarf“ aussehen, wenn dieser zum Beispiel durch Demenz oder geistige Behinderung nicht mehr geäußert werden kann? Im Kurs wird von „assistierter Autonomie“ gesprochen. Die Gesprächsbegleitenden sind aufgefordert, über Beobachtungen und Erfahrungen den mutmaßlichen Willen zu erfassen. Wieder ist Vertrauen gefragt und die Fähigkeit, die Werte und Wünsche am Lebensende zu antizipieren und im Sinne des Betroffenen zu dokumentieren.

Ein relationales Autonomieverständnis bedeutet, sich ernsthaft mit verschiedenen Fragen und Themen in einem vertrauensvollen Kontext auseinanderzusetzen und eine Haltung zu entwickeln, die sich in einer sensiblen, achtsamen Zuwendung und Kommunikation mit den Bewohner/innen zeigt, aber auch in der Reflexion von Macht- und Abhängigkeitsdimensionen im Versorgungskontext.

Insgesamt verdeutlicht die Weiterbildung, dass die Gesprächsbegleitenden sich Hilfe und Sachverstand von verschiedenen Fachdiensten (Hausarzt, Seelsorger, Juristen) einholen müssen. Auch das direkte Umfeld (Angehörige, Freunde) muss im Blick behalten werden. Die Bedeutsamkeit einer vertrauensvollen Beziehung muss allgegenwärtig sein und sie dürfen eines nicht aus den Augen verlieren: Die Selbstbestimmung der Bewohner/innen hat immer Priorität.

Ulrich Mack und Sybille Rommel
Kursleitung und Dozenten des Diakonischen Instituts für Soziale Berufe (im Auftrag des Diakonischen Werks Württemberg)

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