Weil das Bürgergeld kurz nach seiner Einführung kritisiert wurde, sahen sich Beziehende stigmatisiert. Die Diakonie Württemberg stärkt Beratungskräfte mit Empowerment und Faktenchecks gegen Polemisierungen.
Ursprünglich angedacht war bei der Bürgergeldreform im Jahr 2023 ein Paradigmenwechsel, von dem zuletzt positive Ansätze wie etwa eine vertrauensvolle Beziehung, der Fokus auf eine nachhaltige Beschäftigung und eine dafür förderliche Qualifizierung übrig blieben. Während Jobcenter noch inmitten der Umsetzung von Neuregelungen waren, wurden die Wirkungen des Bürgergelds in der Öffentlichkeit bereits abgewertet. Aufgrund multipler Krisen fühlten sich Menschen stark verunsichert – gleichzeitig wurde die Höhe von Sozialleistungen angezweifelt, wurde sozialstaatliche Unterstützung gar in Frage gestellt. Fachkräfte in Beratungsstellen und bei freien Trägern wurden mit abwertenden Haltungen gegenüber Sozialleistungsbeziehenden immer wieder konfrontiert.
Die Diakonie Württemberg hat im Frühsommer 2024 eine digitale Veranstaltung zum Thema „Bürgergeld wirkt! Was ist unserer Gesellschaft Würde wert? Strategien gegen die Stigmatisierung von Bürgergeldbeziehenden“ angeboten. Ziel war es, Beratungskräfte zu schulen und zu stärken, um mit unhaltbaren Argumentationen und polemisierenden Darstellungen von Klientinnen und Klienten umzugehen, wie sie auch von den (sozialen) Medien und von einzelnen politischen Parteien kommuniziert werden. Konkret ging es darum, valide Fakten auf Basis wissenschaftlicher Studien zu einem Faktencheck zusammenzustellen. Auch wurden Argumentationsmethoden vorgestellt und als Handwerkszeug für die Praxis mit auf den Weg gegeben. Dies diente dazu, Fachkräfte für verschiedene Gesprächssituationen und
-kontexte zu sensibilisieren. Gemeinsam mit Expertinnen des Evangelischen Fachverbandes für Arbeit und soziale Integration e.V. und einer Demokratiebegleiterin als Betroffener wurde viel Raum für Input und Austausch geschaffen.
Zentrale Erkenntnis war, dass polemische Argumente an der Realität vorbeigehen. Die Wirkung der Bürgergeldreform beispielsweise isoliert von anderen gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen und strukturellen Kontexten (wie Inflation, Rezession und Fluchtbewegungen) zu betrachten, ist nicht hilfreich. So trifft etwa die Auffassung, dass sich Arbeit nach der Einführung des Bürgergelds nicht mehr lohne, nicht zu. Demzufolge gab es laut IAB im Zuge der Bürgergeldreform 2023 keinen statistisch erkennbaren Anstieg der Übergänge aus Erwerbstätigkeit in den Leistungsbezug. Bei Vergleichen zwischen Erwerbstätigen und Bürgergeldbeziehenden verfälschen unrichtige Rechengrundlagen die Ergebnisse, etwa durch fehlende Berücksichtigung des Anspruchs auf weitere Sozialleistungen wie Wohngeld, Kindergeld oder Kinderzuschlag.
Weitere Erkenntnis: Lügen und Scheinwahrheiten schaffen Bilder in den Köpfen, die oft nur mit Mühe revidiert oder neu kreiert werden können. Deshalb ist es wichtig, Gesprächspartnerinnen und -partnern in den unterschiedlichsten Kontexten, etwa in der Beratung, genau zuzuhören, sensibel zu sein, zu hinterfragen und zu reflektieren: Welche Bedürfnisse könnten hinter getätigten Aussagen stecken? Wenn dies gelingt, kann eine entscheidende Basis geschaffen werden, um kritische Haltungen umzulenken und potenzielle konstruktive Handlungsoptionen gemeinsam zu erarbeiten.
Die Diakonie Württemberg wird die Umsetzung des Bürgergelds weiterhin eng begleiten und im Austausch mit Politik und Gesellschaft bleiben. Dabei wird sie den Fokus darauf legen, Fakten zu schaffen und Geschichten von Betroffenen zu erzählen. Weitere Veranstaltungen dieser Art sind angedacht.
ARD Tagesschau Beitrag: Minute 6:24
Zur Pressemitteilung:
Bürgergeld ist Ausdruck guter Sozial- und Arbeitsmarktpolitik