Klar und konstruktiv hat sich die Diakonie Württemberg auch auf EKD-Ebene eingebracht.
Im Jahr 2024 hat sich das Diakonische Werk Württemberg (DWW) in einem hochsensiblen ethischen und gesellschaftspolitischen Prozess deutlich sichtbar eingebracht. Es geht um die Debatte um eine gesetzliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs (§ 218 StGB). Ziel war es, gemeinsam mit kirchlichen und diakonischen Partnern eine fundierte evangelische Position zu erarbeiten und in die politische Diskussion einzubringen.
Ausgangspunkt war die Ankündigung im Koalitionsvertrag der Bundesregierung, den § 218 zu reformieren. Im Zuge dessen bat die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin im Jahr 2023 um Stellungnahmen von Kirchen und Verbänden. Die daraufhin veröffentlichten Papiere von EKD und Diakonie Deutschland – mit Vorschlägen zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur 22. Schwangerschaftswoche – stießen auf intensive Diskussionen innerhalb der evangelischen Kirche und der diakonischen Trägerlandschaft.
Deutlich wurde: Es bestand Klärungsbedarf – sowohl theologisch-ethisch als auch in Bezug auf die Praxis kirchlicher und diakonischer Beratungsarbeit. Vor diesem Hintergrund engagierte sich das DWW aktiv im Rahmen einer interdisziplinären Arbeitsgruppe des EKD-Kammernetzwerks unter der Leitung von Prälatin Dr. Christina-Maria Bammel, Prof. Dr. Reiner Anselm und Oberkirchenrätin Anne Pappert. Für das DWW brachte sich Oberkirchenrätin Dr. Annette Noller in die gemeinsame Erarbeitung einer überarbeiteten Position ein. Diese zielte auf eine ausgewogene, werteorientierte Haltung, die sowohl die Selbstbestimmung ungewollt Schwangerer als auch den Schutz ungeborenen Lebens berücksichtigt.
Ein zentrales Ergebnis dieser intensiven Beratungen war der Verzicht auf die zuvor vorgeschlagene Legalisierung eines Schwangerschaftsabbruchs bis zur 22. Woche sowie die Rückkehr zur Betonung einer verpflichtenden Beratung vor einem Abbruch. Das gemeinsame Papier der EKD „Schwangerschaftsabbruch – Ein theologisch-ethischer Diskussionsbeitrag der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Debatte um § 218 StGB“ wurde dem Rat der EKD von Oberkirchenrätin Dr. Annette Noller vorgestellt und bildete die Grundlage für eine differenzierte Stellungnahme der EKD vom 18.12.2024. Darin wird die im Bundestag diskutierte Regelung – insbesondere die verbindliche Beratung bis zur 12. Schwangerschaftswoche sowie eine 24-stündige Wartezeit zwischen Beratung und Eingriff – ausdrücklich begrüßt.
Besonders hervorzuheben ist, dass das DWW seine Position nicht “im luftleeren Raum” entwickelt hat: Die Fachlichkeit und Erfahrung der württembergischen Schwangerenberatungsstellen flossen kontinuierlich in den Meinungsbildungsprozess ein. Rückmeldungen und Perspektiven der Fachkräfte wurden gesammelt, gespiegelt und auf EKD-Ebene eingebracht – ein gelungener Ausdruck dialogischer Beteiligung und gelebter Praxisnähe.
Auch nach der öffentlichen Stellungnahme blieb das DWW aktiv im politischen Dialog: Im Anschluss an die Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestages am 10. Februar 2025, bei der verfassungsrechtliche Fragen eine Vertagung der Gesetzesabstimmung notwendig machten, positionierte sich das DWW auf Basis der erarbeiteten Linie klar und konstruktiv zum diskutierten Entwurf.
Mit seinem kontinuierlichen Engagement in einer ethisch anspruchsvoller Debatte, dem engen Austausch mit der Praxis und der Mitgestaltung evangelischer Positionierung hat sich das DWW als verlässlicher und verantwortungsbewusster Akteur im Spannungsfeld von Politik, Theologie und Lebenswirklichkeit profiliert.
Links:
10. Oktober 2023
Stellungnahme der Diakonie Deutschland gegenüber der Arbeitsgruppe 1 „Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch“ (zuletzt abgerufen am 07.07.2025)
11. Oktober 2023
Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland gegenüber der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin.
(zuletzt abgerufen am 07.07.2025)
Dezember 2024
Schwangerschaftsabbruch – Ein theologisch-ethischer Diskussionsbeitrag.
Zur Debatte um § 218 StGB
(zuletzt abgerufen am 07.07.2025)
18. Dezember 2024
Pressemitteilung: Rat der EKD nimmt Stellung zur Debatte um eine Novellierung des § 218 StGB. Expert*innen-Papier soll differenzierten öffentlichen Diskurs befördern und evangelische Perspektive eintragen. (zuletzt abgerufen am 07.07.2025)
6. Februar 2025
Initiativstellungnahme zur Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs (BT-DS 20/13775).
(zuletzt abgerufen am 07.07.2025)